Grundausbildung 1958

Die Grundausbildung zum Grenzjäger bei der 1. Hundertschaft in Goslar (vom 15. Oktober 1958 – bis April 1959) 

Vorwort

Beim diesjährigen Treffen in Goslar – vom 30.11. bis 02.12.2018 – feierten wir das 60-jährige Jubiläum unser Grundausbildung beim Bundesgrenzschutz. Der 1. Vorsitzende der BGS-Kameradschaft Goslar e. V. (Wilhelm Kramer) bat mich einen Bericht über den Verlauf dieser Grundausbildung von 1958 zu schreiben – und ich erklärte mich dazu spontan bereit.

Helmut Kersten

Ich weiß, der Bericht ist sehr lang – und als Voraussetzung für eine Veröffentlichung wurde mir nur vorgegeben, dass er nicht langweilig geschrieben sein darf – und ich vermute mal, das ist mir auch gelungen ! – In der Hoffnung, dass das ein Außenstehender genauso sieht, der nie zuvor Kontakt mit dem Bundesgrenzschutz (kurz: BGS) gehabt hat. Die Erlebnisse sind nur einzelne Mosaike vom Ganzen, ansonsten hätte der chronologische Ablauf der Grundausbildung den Umfang eines Buches mit einer dreistelligen Seitenzahl.  Zur Klarstellung, alle Berichte stammen „nur“ aus den Begebenheiten dieser Grundausbildung von 1958. Kaum zu glauben aber wahr, mein späterer Unterführer-Lehrgang in Walsrode (Lüneburger Heide), war noch um einige Zacken schärfer !  – Nun viel Spaß beim Lesen.

Die Grundausbildung bei der 1. Hundertschaft in Goslar

(während der Zeit vom 15. Oktober 1958 – bis April 1959) 

Für alle Neueingestellten begann am 15. Oktober 1958 mit Sicherheit ein Umbruch in ihrem Leben. Bevor wir in „Grundstellung“ auf dem Hof der Krahmer-Möllenberg-Kaserne standen, hieß es die „Neuen“ zunächst einmal einheitlich einzukleiden. Da aber noch viele Uniformen geändert werden mussten, und die Truppe kein einheitliches Bild abgab, entschied man sich uns zunächst in Sportbekleidung antreten zu lassen. Der Tag, ich erinnere mich noch sehr genau, war trüb und grau – eben ein typischer Oktobertag.

Beim ersten Antreten auf dem Hof – noch in „unmilitärischer Haltung“ aber sportlich straff, stellte sich der Reihe nach das Führungspersonal der Hundertschaft (kurz: Hu.) vor. Die Mutter der 1. Hu. – also der Spieß – war Meister (kurz: Mstr.) im BGS Beine. Akkurat gekleidet, sein Notizbuch schräg in der Uniformjacke festgeklemmt, erklärte er unmissverständlich, was er von den zukünftigen BGS-Beamten erwartet. Für diejenigen, die bisher die eigene Freiheit über alles liebten, hieß es von nun an Abstriche auf diesem Sektor machen zu müssen. Nach einer kurzen Unterweisung, die mehr oder weniger nur aus Belehrungen bestand, die Rechte blieben unerwähnt bzw. außen vor, erschien der Hundertschaftsführer (früher beim Militär – Kompaniechef) Hauptmann (kurz: Hptm.) Röhricht. Er begrüßte uns in zackiger, leicht vorgebeugter militärischer Haltung. Aus unserer Perspektive sah es aus, als hätte er vergessen den Besenstiel nebst Kleiderbügel aus seiner Uniform zu nähmen. Unsere jeweiligen Unterführer hatten sich schon auf den Gruppenstuben bekanntgemacht – und die jeweiligen Zugführer, 1. Zug – Leutnant (kurz: Lt.) St., 2. Zug – Hauptwachtmeister (kurz: Hwm.) Schatz und 3. Zug – Hwm. Linde, lernten wir später im Rahmen der einzelnen Unterrichte näher kennen.  

Nun hieß es in den einzelnen Gruppen sich untereinander bekannt zu machen. Ein Stubenältester musste gewählt werden, der nach außen die Belange der jeweiligen Gruppe vertreten sollte. Mit der Wahl in meiner Gruppe mit Grenzjäger (kurz Gj.) Weißleder war alles relativ schnell gelöst. Erstaunlicherweise klappte von Anfang an die Harmonie, vermutlich auch deshalb, weil wir alle gemeinsam im gleichen Boot saßen. –  Mit unserem Gruppenführer Grenzoberjäger (kurz: Gobj.) Drossel, hatten wir einen ruhigen nicht übermäßig auf Drill ausgerichteten Vorgeordneten. 

Um in der Gruppenstube nach Dienstschluss etwas Unterhaltung zu haben, entschlossen wir uns in Goslar für zehn DM monatlich ein Radio zu mieten. Zu der Zeit waren u. a. Elvis Presley, Bill Harley und Freddy Quinn musikalisch die Renner. Ein besonders beliebter Sender war der „Freiheitssender 904“, ein fahrbarer und politischer Sender, der in der „Ostzone“ zwischen Burg und Magdeburg pendelte. Neben der für uns so beliebten Musik brachte er auch Aktuelles aus dem Alltag, der Bundeswehr und dem BGS, was wir aber nur so am Rande registrierten. Doch dazu später ein besonderer Fall. 

Wie es bei Beamten üblich ist, mussten wir auch vereidigt werden. Das Ganze fand auf dem Platz vor der Kaiserpfalz statt (siehe Bild 1). Ein Spielmannszug aus Hannover war dazu extra angereist, Hptm. Röhricht machte dem Abteilungskommandeur Oberstleutnant (kurz: Oberstlt.) Rau Meldung, dass die Grenzjäger der 1. Hu. angetreten sind. Für die Goslarer Bevölkerung war das immer ein besonderes Ereignis. 

Bild 1 – die Vereidigung auf dem Platz vor der Kaiserpfalz

(Zu diesem Ritual gehörte auch ein Gottesdienst. Dazu fand vorher auf dem Kasernenhof die konfessionelle Teilung der evangelischen – und katholischen Angehörigen statt. Was aber geschah mit den Konfessionslosen? – Klare Anordnung, die sollten während des Kirchgangs den Hof fegen. Da ich zu dieser Gruppe der „Gottlosen“ gehörte, entschied ich mich kurzerhand die evangelischen Kameraden zu begleiten! In diesem Zusammenhang gab es den ersten Kontakt mit dem „Träumer der 1. Hu.“ – Gj. St. 

Bild 2 – Kirchengang

Als „Erzkatholik“ verwechselte er die beiden Konfessions-Gruppen – und beschwerte sich anschließend noch über die nicht klare Trennung. Damit war er zum ersten Mal im Stab der Ausbilder unangenehm aufgefallen. Später sorgte er – weil er selten den Ausbildungsplan richtig studierte – für viel Stimmung und lustigen Einlagen. Einmal – alle traten lt. Dienstplan mit Kampfanzug und MG 42 an – nur er als einziger in grüner Uniform. Somit wurde Gj. St. bald zum „Liebling“ von Lt. St. Oft musste er vor versammelter Mannschaft und nach seinen Weisungen eine „Extraeinlage“ seines Könnens in Bodennähe abgeben!

Nachdem die Grundzüge der Formalausbildung halbwegs klappten und das richtige Marschieren (nach der GDV Nr. 203/A), kann man an dieser Stelle einen ersten Schnitt wagen. 

Dadurch, dass die Krahmer-Möllenberg-Kaserne keine eigene Küche besaß, musste der 2. und 3. Zug (der 1. Hu.) täglich zur Mittagszeit zur Rammelsberg-Kaserne (ca. ein Kilometer entfernt) marschieren. Der erste Zug gastierte bereits von Anfang an bei der 3. Hu., also in der Rammelsberg-Kaserne. 

Jeweils ein Gruppenführer führte immer die beiden Züge mit gelernten Marschliedern (wie -> Hoch droben in Goslar …) auf den Lippen – zum Essen. Da wir bekanntermaßen noch „erwachsene und noch zum Teil auch unreife Jugendliche“ waren, die häufig nur Blödsinn im Schädel hatten, kam die geordnete Formation beim Marschieren manchmal etwas aus dem Rhythmus. 

So auch an jenem Tag als Gobj. Drossel die Einheit führte. Aus dem Fenster der 3. Hu. beobachtete der dortige Spieß – Mstr. im BGS Wuttke (ein ehemaliger Berliner) – die unorthodoxe Marschordnung. 

Hier nun der Dialog: Mstr. Wuttke: „Wer führt denn hier den Sauhaufen?“ Gobj. Drossel: „Ich, Herr Meister!“ – Mstr. Wuttke: „Wie heißen sie Vogel denn?“ Gobj. Drossel: „Drossel, Herr Meister!“ – Stark erregt schrie Mstr. Wuttke und puterrot im Gesicht: „Woll’ sie mich verarschen!“ Gobj. Dossel: „Nein Herr Meister, ich heiße wirklich so!“ – Von diesem Augenblick an war der letzte Rest an Disziplin im Eimer – und keiner konnte sich mehr ein Lachen verkneifen.

Schwierigkeiten bereitete den meisten die tägliche Ausgangszeit, die nur bis 22.00 Uhr ging. Ich persönlich habe in der Grundausbildung nebenbei mit anderen unserer Einheit die Tanzschule im Hotel Achtermann besucht, die eben auch bis 22.00 Uhr ging. Das hieß, aufgrund der Strecke bis zur Kaserne, immer so gegen 21.30 Uhr kurzfristig das Tanzparkett im Laufschritt verlassen zu müssen. Irgendwann haben aber zwei Kameraden (Gj. Sch. und GJ. V.) den zeitlichen Absprung von dort verpasst. Dadurch, dass bereits der Stubendurchgang durch den W.v.D. (Wachtmeister vom Dienst) voll im Gange war, sind die beiden mit Hilfe Anderer vom Hof aus durch das Fenster im Erdgeschoss geklettert und lagen noch vor ihrer Stubenkontrolle – aber mit voller Bekleidung – im Bett. 

Einem aus der Gruppe (es war Gj. S.) gefiel das aber gar nicht – und er denunzierte die beiden am nächsten Tag beim Spieß. Mit einer „strengen Verwarnung“ kamen beide „Sünder“ noch einmal mit einem blauen Auge davon. Doch in unserem Kreise wurde Tage darauf geplant den „Kamerad“ eine Lektion zu erteilen. Abgesprochen, wer was zu machen hatte, startete die Aktion nach dem obligatorischen abendlichen Stubendurchgang. Bei verdunkeltem Raum wurde schlagartig die Tür geöffnet, vier Personen stürmten an sein Bett und hielten ihm im Bett Arme und Beine fest, andere schlugen die Bettdecke zurück und entfernten oberflächlich sein Nachtgewand. Der „heilige Geist“ – oder wie man auch sagt: „Die schwarze Kuh“ begann dann mit ihrer eigentlichen Arbeit. Mit schwarzer Schuhcreme wurde der „gute Junge“ von oben bis unten voll eingeschmiert. Nach getaner Arbeit mussten alle, den Rückzug geordnet, ohne erkannt zu werden, antreten und das gelang tatsächlich bestens. Ergänzend sei dazu zu sagen – wir haben ja schließlich schon „das Tarnen und Täuschen“ gelernt – und hier nur das Gelernte mal in die Praxis umgesetzt. Dieser Vorfall hatte verständlicherweise Folgen. Am nächsten Tag wurden alle befragt, ob sie etwas bemerkt hätten. Aber klar, keiner war dabei – denn so lautete unisono die Antwort: „Ich habe bereits zu dieser Zeit geschlafen – und auch nichts von dem Erwähnten gehört!“ – Basta – und Schluss.

Morgens vor Dienstbeginn musste der Stubendienst für das Frühstück immer alles Notwendige beim Fourier ordern. Eines Tages klappte es nicht wie üblich beim Frühstücksempfang. Was war geschehen – die Marmelade war alle. Da kam die Parole (von Gj. K.) auf: „Marmelade gibt es erst ab Unterführer!“ Als diese Behauptung an das Ohr von Lt. St. drang, fragte er – nach dem Verursacher suchend – erst einmal die angetretene Hu. – Keiner meldete sich! – Dann machte er von seinen später häufigen „BGS-Konditionsübungen“ Gebrauch – wie -> „Nach vorne weg marsch, marsch – volle Deckung – auf dem Koppelschloss kehrt – usw.… !“ – aber es meldete sich noch immer keiner.

Da sowieso anschließend Geländeausbildung auf dem Bollrich (bei Oker) im Plan stand, hob er sich weitere Details für diesen Zeitraum auf.        

Bild 3 –
die 2. Gruppe vom 2. Zug der 1. Hu. mit Gobj. Drossel

Was stand da doch noch in der Werbebroschüre? – „Der BGS, die vollmotorisierte Polizeitruppe des Bundes!“ – „Nischt“ so, es ging im Gleichschritt ab per pedes hin zum Übungsgelände. Dort, am umgepflügten Ackerland angekommen, wiederholte er noch einmal seine Frage nach der Marmelade. – Wieder meldete sich keiner. Die neu empfangenen Kampfanzüge erlebten dann auf dem feuchten Untergrund ihre erste Bewährungsprobe. Die Grenzjäger, die bei der angeordneten „Bodenübung“ – wie Gleiten und Robben nicht seiner Vorstellung entsprachen, beleidigte er u. a. mit den Worten: „Wie konnte eine Mutter nur so ein Kind gebären?“ Oft verlor er dabei die Fassung, was man seinen Gesichtszügen entnehmen konnte. Ich machte durch ihn selbst ähnlich schlechte Erfahrungen beim Robben, indem er mir mit einem Stiefel (genauer mit dem Hacken davon) einen Tritt ins Gesäß gab, und unmissverständlich aussprach, dass der Arsch auf dem Boden liegen müsse!

Eine einmalige Posse war die „Scheißhauswache“. Mstr. Beine musste mal beim Durchgang durchs Revier feststellen, dass in einem Toilettenbecken braune „Schleifspuren“ sichtbar waren. Folge, er ließ eine Zeit lang die Toilette am Eingang durch zwei Posten (bewaffnet mit FN-Gewehr) bewachen. Immer wenn ein Benutzer die Toilettenspüle betätigte, musste einer der beiden Wachposten kontrollieren, ob auch alles sauber im Becken war.   

Nach ca. einem Monat begann der Exodus. Einigen war die Ausbildung zu hart und kündigten. Sicherlich kannte man das schon und so verschob man vom 3. Zug beginnend, die Einheit nach oben, um sie neu zu formieren. Auch ich war einer der Betroffenen, der den 2. Zug verlassen musste, und kam somit unter die Fittiche von Lt. St., in die Rammelsberg-Kaserne, um den 1. Zug zu komplettieren.

Eine weitere Begebenheit. In der Krahmer-Möllenberg-Kaserne befand sich eine Toilette im Eingangsbereich für Fußgänger, die der Gruppenkommandeur Oberst Poggendorf zur Mittagszeit aufsuchte. In der Toilette begegnete dem Oberst ein Dienstanfänger, der ihn mit „Mahlzeit“ begrüßte. Der Kommandeur war derart geschockt, dass er eine erkennungsdienstliche Behandlung des jungen Täters nicht durchführen konnte. Er beschwerte sich darüber beim Innendienstleiter, der die Hu. antreten ließ. Mstr. Beine war aufwendig empört, mit sehr lauter Stimme und ruderte dabei mit den Armen. Er musste nämlich damit rechnen, dass Oberst Poggendorf sein Appell beobachtete. Auf die Frage: „Wer war das?“ meldete sich verständlicherweise niemand.  

Wenn man meint, was die Ausbildung betrifft, es gebe keine Steigerung, der irrt. Am Rammelsberg übte man – Berg auf und Berg ab -> „Die Formen der geöffneten Ordnung“ – unter der Regie von Lt. St. – mit allen Varianten. Viele zogen sich auf diesem unebenen Gelände Stauchungen, Prellungen und Schürfwunden zu. Die Ausfälle waren signifikant. Später kamen wir total kaputt in der Unterkunft an. Das erste was wir taten war, unser Radio anzustellen, um auf andere Gedanken zu kommen. Und da war er wieder unser beliebter „Freiheitssender 904“. Gerade noch hörten wir die Fragmente… und wieder hat es Lt. St. geschafft, drei Kameraden der 1. Hu. reif für das Krankenrevier zu schinden!“ – Das war für uns ein Schocker!!! – Nicht nur wir, sondern auch der Bereich um „I S“ (eins Sicherheit) hatte diesen Teil der Sendung mitgehört. Schlagartig erhielten wir Ausgangssperre und wurden alle einzeln bis spät nach Mitternacht oben auf dem Dachboden der Krahmer-Möllenberg-Kaserne verhört. Jeder musste minutiös berichten, was er bis zur Durchsage dieser Information durch den Ost-Sender getan hat und wo er sich bis dahin aufgehalten hat. – Ergebnis – kein Ergebnis. – Beim einem späteren Treffen der BGS-Kameradschaft in Goslar (2017) kam ich mit einem ehemaligen „I S-Mitarbeiter“ ins Gespräch, der mir berichtete, dass, nach dem ich ihm diese Story geschildert hatte, ein „Maulwurf“ nach der Wende in ihren Reihen ausfindig gemacht wurde, der Kontakt nach drüben besaß.

Trotz der Vorfälle änderte Lt. St. nicht sein Verhalten. Bekannt war, dass er oft viel Alkohol konsumierte und dabei charakterlich total ausflippte. Hier dazu nun eine weitere Begebenheit. Mit meinem Kamerad – Gj. R. Bast – saß ich an einem freien Tag in meinem damaligen Stammlokal „Oase“, in Goslar. Plötzlich erschien Lt. St. dort in Zivil und setzte sich einfach – ohne Aufforderung – an den Tisch eines Ehepaars und pöbelte beide sofort an. Der kräftig gebaute Mann (später erfuhr ich – er war Maurer) sprach ihn mit ruhigem Ton an, er möge sich entfernen, was er aber nicht tat. Das Zwiegespräch eskalierte derart, dass der Maurer Lt. St. aufforderte, mit nach draußen zu kommen. Links, rechts kassierte Lt. St. ein paar harte Schläge und landete ohne Gegenwehr im Rinnstein vor dem Lokal. Zu Rolli Bast sagte ich: „Egal wie wir zu Lt. St. stehen, hier müssen wir beschwichtigend eingreifen.“ Der Maurer war auch nach einigen von uns verbindlichen Worten dazu bereit – als sich Lt. St. gerade wieder aufrappelte – und mir plötzlich ohne jede Vorwarnung einen vollen Schlag mitten ins Gesicht verpasste. Völlig verdutzt – aber doch erschüttert – überließen wir ihn nun seinem Schicksal und entfernten uns von dieser Stelle.

Am nächsten Morgen, noch vor dem eigentlichen Wecken, stand Lt. St. bei mir am Bett in der Gruppenstube und entschuldigte sich für sein gestriges Verhalten. – Das aber nutzte ihm später wenig. Irgendwie musste dieser Vorfall doch an die große Glocke gekommen sein, und es war wieder ein Mosaik für seine spätere Entlassung aus dem BGS.

Einmal zum Wochenende, alle Läden hatten bereits geschlossen, war „Haarappell“ vor dem Kaserneneingang der 3. Hu. Dabei fiel mein Zimmerkamerad Gj. Zander wegen seiner zu langen Haartracht auf. „Am Montagmorgen findet der Nachappell statt“! – so Lt. St. Was tun? – Ich bot ihm an, mit meiner Nagelschere seine Haare etwas zu kürzen. Leider schnitt ich ihm dabei ein Stück Haut aus dem Nackenbereich, welcher sofort stark zu bluten begann. Mit einem Pflaster im Halsbereich – aber mit der gewünschten Haarlänge – wurde er am Folgetag für gut gemustert. 

Die Krönung der Grundausbildung war die Abschlussprüfung auf dem Sportplatz des Sportclubs Goslar 08. Anwesend war auch General Müller, ein kleiner aber absolut durchtrainierter Mann. Der sah sich die einzelnen Phasen der Übungen gewissenhaft an. Als dann aber Gj. A. mit seinem FN-Gewehr nicht so nach seiner Vorstellung unter den „Spanischen Reitern“ durchrobbte, beorderte er ihn zu sich. „Geben sie mir mal ihr Gewehr, ich will ihnen mal zeigen, was ich unter Robben verstehe!“ Nahm die besagte Waffe, ging von der Zuschauertribüne hin zur Rasenfläche und robbte die gesamte Längsstrecke des Spielfeldes mit Rasanz entlang. Am Ende stand er auf, seine Uniform war reinigungsbedürftig, warf dem Gj. A. sein Gewehr zu und forderte ihn auf: „So will ich das sehen!“ Ich glaube, der arme Kerl hat sein Letztes aufgeboten, um nur annähernd diese Leistung von dem vermutlich 40 Jahre älteren General zu erreichen. 

Ich selbst quittierte meinen Dienst vorzeitig, weil man die Zusage, die man mir später bei der 2. Hu. in Bad Harzburg gab, nicht eingehalten hat. Kurzum, ich war bis dato immer davon überzeugt – ein Mann ein Wort – und, wenn man etwas zugesagt bekommt, auch einhält. Leider wurde ich enttäuscht und musste feststellen, dass neben den hier oft zitierten z. T. unqualifizierten Sprüchen einiger Vorgeordneter (mehr Schein als Sein) nur wenig Verlass auf deren Aussage zu geben war. Trotzdem muss ich sagen, denke ich noch heute gerne und ohne Gram an diese für mich einschneidende Zeit zurück, die mir viel Erfahrung eingebracht hat, von der ich in meinem weiteren Leben partizipieren konnte. Ohne die BGS-Zeit wäre vermutlich mein weiterer beruflicher Werdegang wesentlich anders verlaufen.

Helmut Kersten – Grenzoberjäger (mit Balken !!!) a. D.

PS: Der Bericht mit Oberst Poggendorf und der Toilette hat mir dankenswerterweise Lothar Babel (Gobj. a. D.) zugeschickt.

Bild mit dem harten Kern vom letzten Treffen, am 01.12.2018, in Goslar
Von oben links: Lothar Babel, Wolfgang Seibt, Reinhold Erdmann (gehörte nicht zur 58-Grundausbildung), Helmut Kersten – von unten links: Heinz Panczyk und Wolfgang Riller